Luthers Erben spielen Luthers Erben - ein Theaterstück von Peter Henze
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Inmitten aller möglichen und un-möglichen Luther-Feiern in diesem "Jubiäumsjahr" gab es un unserem Kirchenkreis Syke-Hoya etwas ganz Besonderes: 20 Seelsorger*innen aus dem gesamten Kirchkreis treten einmal nicht auf die Kanzel, sondern verwandeln die Kirche in eine große Bühne. – Peter Henze hat für sie ein Stück geschrieben mit dem Titel „Luthers Erben spielen Luthers Erben". - Der Titel trifft die Sache. Die Pastoren, Pastorinnen, Krankenhaus- und Altenseelsorger stehen in Luthers Erbe.Und nun spielen sie in einem Stück Luthers Erben ... ein Stück sich selbst und gleichzeitig auch historische wie erdachte Figuren.
Er ist ja kein einfacher Held, der große Reformator Dr. Martin Luther. Das ahnen oder wissen wir. Mutig, furchtlos, unbeirrbar – sich berufend fühlend als Gottes Prophetder Erneuerung der Kirche, bot er Papst und Kaiser die Stirn. Ein leidenschaftlicher Redner vor seinem Herrn erfand er die deutsche Sprache neu, brachte die alten Schriften verständlich unter die einfachen Leute, denen er schon kräftig „aufs Maul geschaut" hatte.
Voll von Weisheit und Klarheit kämpfte er um den „gnädigen Gott", um sein Seelenheil nach dem Tode nicht Hölle und Verderbnis anheim zu fallen, der größten Angst seiner Zeit. Und in diesem Kampf mit Teufel und dunklen Mächten geriet er denn doch in gefährliche Sichten auf Menschen, die ihm nicht folgen wollten oder konnten. Aus der Intention die Juden zum Christentum einzuladen wurde unübersehbarer Hass ebenso wie auf Muslime und andere – den Bauern, die in ihrer bedrängten Lage durch seine Worte Mut schöpften, versagte er – jetzt der gehorsame Untertan – schließlich seinen Beistand und die Frauen waren ihm immer schon zu vielem nütze, nicht aber für die Kanzel.
Wie bei allen großen Gestalten der Geschichte ist nicht ganz klar, was wirklich geschah, was erfunden und erdichtet, was der Selbstvergewisserung diente. Mächtigen, nicht zuletzt im Nationalsozialismus,diente einiges seiner radikalen und gewalttätigen Worte zur Legitimierung ihresTuns. Viele Luther zugeschriebene und belegte Worte erfüllten heute den Strafbestand der Verleumdung und Volksverhetzung vor unseren Gerichten.
„Sich an ein Luther-Stück zu wagen setzt Kühnheit voraus", sagt der große Dieter Wedel, der gerade in Bad Hersfeld eine Aufführung vorgestellt hat. – Peter Henze hat es, zusammen mit seinen Spieler*innen, auch gewagt. Das Spiel beginnt mit den Vorbereitungen für ein „Fest für Luther", die sich gestalten zu einem leidenschaftlichem Diskurs der heutigen „Lutheraner*Innen" (!), um den Umgang mit ihrem schwierigen Erbe. Mit Witz, Ironie und Heiterkeit und dennoch kräftigen Worten, laut und berührend gleichzeitig, offenbart sich eine evangelische Streitkultur – nicht mehr um den „gnädigen Gott" sondern vielmehr um eine neue Sehnsucht nach Gott in einer manchmal verloren zu scheinender Welt. Und der Frage natürlich: was würde er heute sagen, oder vielmehr: was müßten wir sagen heute, Luthers Enkel in unserer Zeit? Vielleicht brauchen wir ja eine (neue) Reformation? - In Gemeinschaft mit großen Theologen wie Dorothee Sölle, Eugen Drewermann vertraut auch der Autor Peter Henze auf die Kraft der Poesie, des Theaters und des Erzählens, wenn es sich um nichts Geringeres als um „Gott und die Welt" dreht.
Um das Stück herum findet das Kirchenkreisfest in Vilsen statt, mit vielen Gelegenheiten sich anzuschauen, zu freuen und sich auszutauschen. – Für die Kinder gibt es während der Aufführung ein besonderes Programm, denn Martin Luther, das ist denn doch erst mal etwas nur für die „großen Erwachsenen"). Und noch etwas: wie auch zu Luther Zeit gibt es keine Mikrophone ... diejenigen der Besucher die grade etwas schlecht hören sollten vorderePlätze erhaschen, aber auch weiter hinten wird man Sinn und Gehalt des Stückes erleben können. Ach ja, mit dabei ist natürlich auch Kantor Dietrich Wimmer.
Nach dem umjubelten und hoch gelobten Auftritt beim Kirchenkreisfest in Bruchhausen-Vilsen - nun noch einmal zu sehen in Harpstedt.